Salzburgs Zwergerl stellen sich vor

Dem einen prangt eine dicke Beule am Kopf, der andere verharrt in seltsam deformierter Pose – heute werfen wir einen Blick auf die berühmten Zwergerl-Skulpturen im Bastionsgarten. 

Der eine oder andere unter ihnen hat schon über 300 Jahre auf dem Zwergenbuckel. Und ganz ehrlich – allmählich sah man ihnen ihr hohes Alter an: Da waren die Gesichter schon geschwärzt von Algen- und Pilzbefall, es fehlten Werkzeuge oder Gliedmaßen. Eine Zwergerl-Kur war allerhöchste Eisenbahn. Und so reisten die siebzehn Menschlein letzten Winter nach Hallein, um anschließend frisch herausgeputzt zurückzukehren. Da stehen sie nun, wieder in strahlend weißem Untersberger-Marmor-Gewande und erzählen von einer langen und bewegten Vergangenheit.

Zwergin mit Obstschürze (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zwergin mit Obstschürze (c) STADTBEKANNT Zohmann

Es war einmal…

…ein Garten mit 28 Zwergen. Er wurde in der Zeit des Barocks geboren und seine ersten Bewohner entstanden Anfang der 1690er Jahre, als die groteske Darstellung von Hofzwergen in Mode war. In der Aufklärung sah man diese Sache aber mit anderen Augen: Kronprinz Ludwig von Bayern war alles andere als begeistert und ließ die Salzburger Zwergeln versteigern. Rasch wurden die Skulpturen in alle Winde verstreut und man sollte sie 100 Jahre lang nicht wiedersehen. Erst im Jahr 1919 beschloss man, den ältesten Zwergelgarten Europas wiederherzurichten und setzte sich für deren Rückkehr ein. Mit Erfolg: Denn 17 von ihnen haben inzwischen den Weg wieder in den Mirabellgarten zurückgefunden.

Zwergin mit Zwiebelbund (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zwergin mit Zwiebelbund (c) STADTBEKANNT Zohmann

Spiel, Spaß, Spott

Am Eingang des Bastionsgartens haben sich zwei ballspielende Zwerge wie Wächter postiert. Ob sie für solch einen Security-Job geeignet sind, ist fraglich, scheinen sie doch sehr in ihr Spiel vertieft. Es handelt sich um den Mannschaftssport „Gioco del Pallone“, der auf das 14. Jahrhundert zurückgeht. Bei diesem Spiel musste der Ball mittels zackenversehrter Schlagärmel, die die beiden am jeweils rechten Arm tragen, in die gegnerische Seite geschlagen werden. Der linke Zwerg hegt wohl Bedenken hinsichtlich der Wurfkraft seines Gegners: Denn er trägt spannenderweise einen Topf als Kopfschutz. Keine schlechte Idee. Darauf bedacht, die beiden nicht zu stören, überqueren wir die Brücke, um ins Innere des Zwergelgartens vorzudringen.

Eingang Zwergelgarten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Eingang Zwergelgarten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Sofort entdecken wir rechterhand einen nächsten, mit einem Turban behüteten Kollegen. Und überraschen den armen Kerl in einer recht peinlichen Lage: Er ist dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit zu versuchen, einen kleinen Baumstamm zu brechen, was ihm offensichtlich nicht gelingen will. Das brachte ihm in der Vergangenheit sicherlich einiges an Spott ein. Dass seine äußere Erscheinung mit einem türkischstämmigen Mann assoziiert wird, ist dabei ganz und gar nicht willkürlich. Denn mit diesem Männlein spielte man auf die zweite Türkenbelagerung Wiens an. Auch Salzburg hatte damals die Finger im Spiel: Die Stadt steuerte 800 Mann, 600 Fass Pulver und 400 Geschütze zur Verteidigung Wiens bei.

Zwerg mit Turban (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zwerg mit Turban (c) STADTBEKANNT Zohmann

Spaten, Sense, Nockentopf

Der Blick fällt nun unweigerlich auf den großen Kreis, an dessen Rand die meisten Zwerge Stellung bezogen haben, als würden sie einer wunderlichen Zeremonie beiwohnen. Sie repräsentieren unterschiedliche Monate. So steht der Zwerg mit der Sense für den Juli, wo der erste Wiesenschnitt erfolgt, die Zwergin mit der Obstschürze für September, weil in diesem Monat die Obsternte beginnt. Einer hält eine Gartenvase für den April, weil da die eingewinterten Topfpflanzen wieder ins Freie gesetzt werden, jener mit dem Nockentopf steht für Dezember, denn da ruht die Gartenarbeit und man frönt amüsanteren Tätigkeiten wie dem Essen und Trinken. Hingegen läutet ein besonders finster dreinblickender Barockzwerg als März-Figur die Gartensaison wieder ein. Er stützt sich auf einen Spaten, trägt einen wallenden Bart und auf seiner Glatze prangt eine fette Beule. Ja, wir haben verstanden, Gartenarbeit ist nicht ungefährlich. Oder ist es vielleicht doch eine Anspielung auf das „Teufelshorn“ der Harlekin-Maske? Das wäre nicht unwahrscheinlich, gehen doch sämtliche Zwergerl-Darstellungen auf die Skizzen des französischen Hofmalers Callot zurück, der sich seine Inspiration von der italienischen Stegreifbühne holte.

Zwerg mit Spaten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zwerg mit Spaten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zwicker, Degen, Fahne

Auf Callot gehen insbesondere auch die „Außenseiter“ zurück, die sich außerhalb des zentralen Kreises befinden. So steht beispielsweise der Zwerg mit dem altmodischen Zwicker auf dem Näschen wie ein Beobachter am Rande. Tartaglia ist sein Name, oder auch etwas ungeschönt: „Der Stotterer“. Neben seinem Bäuchlein, das er stets stolz vor sich herträgt, ist das herausragendste Merkmal seine scharfe Zunge, mit der er die Menschen dank witziger Wortverdrehungen amüsiert. Auch schräg gegenüber scheinen sich zwei Zwerge mit ihrer Außenseiter-Rolle abgefunden zu haben. Das Männlein mit dem Strohtaschenhut steht im Ausfallschritt. Es verharrt in typischer Fechthaltung. Doch sowohl der fehlende Degen als auch die Abwesenheit eines potenziellen Gegners machen seine Kampf-Pose obsolet und verleihen ihm einen etwas lächerlichen Touch. Angespielt wird damit auf die Zwergenkämpfe der Renaissancezeit. Glücklicherweise ist er aber dennoch nicht ganz allein, leistet ihm doch ein Zwerg mit Holzbein Gesellschaft. Auch ihm fehlt sein Accessoire, das seiner Handhaltung nach wohl einst eine Fahne war. Er verlor sein Bein im Krieg und ist doch innerlich reich und glücklich: Denn eine Hand verschwindet in einem Obstkörbchen, das die innere Zufriedenheit symbolisiert. Wir sind auch zufrieden und verabschieden uns langsam wieder von den Skulpturen. Bis zum nächsten Mal!

Zwerg mit Strohtaschenhut (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zwerg mit Strohtaschenhut (c) STADTBEKANNT Zohmann

STADTBEKANNT meint

Sie sind immer wieder einen Besuch wert. Und nachdem sich die Zwergerl vom Salzburger Bastionsgarten einer reinigenden Kur in Hallein unterzogen haben, erstrahlen sie auch wieder in weißem Untersberger Mamor. In neuem Arrangement erzählen Gartenarbeiter, Duellanten und Komödianten ihre Geschichte.