Bereits seit dem 17. Jahrhundert wandert der Wilde Mann im Zentrum Salzburgs umher. STADTBEKANNT hat sich auf Spurensuche begeben.

Unter einer gezackten Laubkrone ein starrer Gesichtsausdruck, ein schuppenbedeckter Leib in stolzer Pose, eine baumartige Keule in der einen, das Salzburger Wappen in der anderen Hand – das ist der Wilde Mann der Salzburger Altstadt. „Wilde Männer“ sind mythische Waldwesen, die in der Vergangenheit oft als Wappenhüter dienten. Was hat es also mit dem Wilden Mann Salzburgs auf sich? Eine Frage, der wir auf einem Altstadt-Spaziergang auf den Grund gehen.

Der Wilde Mann im Löchl

Hagenauerplatz (c) STADTBEKANNT Zohmann

Hagenauerplatz (c) STADTBEKANNT Zohmann

Ausgangspunkt ist der Hagenauer Platz in der Salzburger Altstadt. Was wir hier sehen? Nichts. Zumindest nichts, was mit unserem schuppenbedeckten Freund zu tun hat. Vor 400 Jahren jedoch, hätte man ihn sehr wohl wahrgenommen und zwar hoch thronend auf einem Brunnen. Anstelle der Touristentraube, die sich heute vor Mozarts Geburtshaus die Finger wund knipst, wären wir buntem Markttreiben begegnet, die Luft hätte nach Fisch gerochen und wäre erfüllt von Geschrei. Der älteste Salzburger Fischmarkt fand hier, auf dem „Löchlplatz“, wie er damals noch hieß, statt. An diesem Ort befand sich auch das „Obere Tränktor“, wo – wie sollte es anders sein – das Vieh der Stadt getränkt wurde. Der Brunnen erfüllte am Platz eine wichtige Funktion: Sein Wasser sprudelte durch die Auslassungen im Becken in hölzerne Behälter, wo sich lebende Fische tummelten, die am Markt verkauft wurden. Heute wie damals stoßen wir aber auf das Restaurant „Zum Eulenspiegel“. Bereits seit dem 15. Jahrhundert verköstigt es seine Gäste – damals noch unter dem Namen „Züngleinhaus“.

Vom Löchl zum Gries

Fischmarkt (c) STADTBEKANNT Zohmann

Fischmarkt (c) STADTBEKANNT Zohmann

„Löchlplatz“ – das klingt nicht nur sehr beengt. Und wer den Hagenauer Platz vor Augen hat, sieht ein, dass ein gut frequentierter Fischmarkt bald einen anderen Ort aufsuchen muss. So zogen die Marktstände im 17. Jahrhundert mitsamt ihres Wilden Mannes auf den Griesplatz – unseren heutigen Ferdinand-Hanusch-Platz, wo heute noch die Aufschrift „Fischmarkt“ an der Obushaltestelle zu sehen ist. Damit hatten die Marktbesucher nicht nur mehr Raum zum Atmen, sondern zudem das zweifelhafte Vergnügen, einen guten Blick auf die bis 1803 hier befindliche Schandsäule, den Pranger, die rote Bank für öffentliche Züchtigungen, das vergitterte Narrenhäusl und den großen hölzernen Schandesel zu bekommen. Diese dunkle Vergangenheit bekommen wir glücklicherweise heute hier nicht mehr zu Gesicht – dafür stoßen wir auf eine andere, eindeutige Spur: Auf den Wilden Mann in kulinarischer Form. Das Gasthaus zum Wilden Mann lag einst in der Griesgasse 17 und versteckt sich heute im Durchhaus in der Getreidegasse 20. Zum Beweis erblicken wir den Wilden Mann über der Eingangstür.

Gasthaus zum Wilden Mann (c) STADTBEKANNT Zohmann

Gasthaus zum Wilden Mann (c) STADTBEKANNT Zohmann

Endstation Furtwänglerpark

Die Fischmarktgeschichte ist eine rastlose: Einige Male mussten Markt und Mann noch umziehen: Im 18. Jahrhundert wieder zurück auf den Hagenauer Platz, dann kurzzeitig in den Innenhof nach Sankt Peter und schließlich in den Furtwängler Park. Und siehe da: Hier steht er heute noch wahrhaftig. Etwas verloren blickt er ins Leere – sinnentfremdet, ohne Fische, die es mit Wasser zu versorgen gilt, richten sich seine Augen auf das Festspielhaus, dessen Errichtung zur Trennung zwischen Markt und Wildem Mann geführt hat: Während der Fischmarkt zum dritten Mal ans Salzachufer zog, blieb der Wilde Mann im Furtwängler Park. Und wo sich einst Fische in Holzbehältern tummelten, verhindert heute ein weiteres Brunnenbecken, dass sich das kühle Nass auf den Boden ergießt. Ob sich der Wilde Mann wirklich, wie behauptet wird, einmal im Jahr am Karfreitag um 12 Uhr mittags um sich selbst dreht, um danach wieder ein Jahr lang starr auf seinem Platz zu verharren? Wer weiß…

Furtwaenglerpark (c) STADTBEKANNT Zohmann

Furtwaenglerpark (c) STADTBEKANNT Zohmann

STADTBEKANNT meint

Der Wilde Mann ist eng mit der Geschichte der Salzburger Altstadt verbunden. Auf seinem Brunnen thronend, zog er in der Vergangenheit an unterschiedliche Orte. Die meisten Salzburger schenken ihm wenig bis gar keine Aufmerksamkeit, wenn sie an ihm vorbeigehen. Wir denken, es ist wert, sich seine Geschichte auf einem kleinen Altstadt-Spaziergang genauer anzusehen.

 

Hotspots

Restaurant Zum Eulenspiegel – Hagenauerplatz 2
Mo – So 11:00 – 23:00 Uhr

Gasthaus Wilder Mann – Getreidegasse 20
Mo – Sa 11:00 – 21:00 Uhr