Ein Spaziergang durch die Geschichte der Getreidegasse

Dem geschäftigen Passanten bleiben viele Dinge verborgen. So beispielsweise auch das eine oder andere historische Schmankerl in den Durchhäusern der Getreidegasse.

Die meisten Salzburger versuchen sie zu meiden, wenn sie können: Die von Touristen überströmte Getreidegasse. Dabei verstecken sich hinter dem altbekannten geschäftigen Trubel und Gedränge  ein paar geschichtsträchtige Überraschungen.

Grenzwertig

Nein, in der Getreidegasse wurde früher kein Getreide verkauft. Eigentlich hat sie überhaupt nichts mit Getreide am Hut. 1150 wurde sie erstmals als „Trabgasse“ erwähnt – ihr Name ist demnach auf „trabig“ als Ausdruck für „schnell, geschäftig“ zurückzuführen. Und das bekommt man auch heute noch zu spüren. Deshalb am besten gar nicht allzu lange verweilen. Wer die geschäftige Gasse auf Höhe der Nummer 38 verlässt, kommt durch einen Durchgang in die Sternarkaden und begegnet hier einem Stück Stadtgeschichte: Der Turm aus einzelnen, zusammengeschweißten Kupferteilen ist zwar erst 4 Jahre jung, verkörpert aber ein Stück der jahrhundertealten Stadtmauer. Die Skulptur trägt paradoxerweise den Namen „Stadt-ohne-Mauer“ und verweist kritisch auf die Themen europäische Grenzen und offene Gesellschaft.

Skulptur "Stadt ohne Mauer" (c) STADTBEKANNT Zohmann

Skulptur „Stadt ohne Mauer“ (c) STADTBEKANNT Zohmann

Der Platz für das Mauer-Werk des Künstlers Zoltan Pap ist dabei alles andere als zufällig gewählt: Wer den Blick nach unten richtet, bemerkt eine goldene Linie am Boden, die den Verlauf der ehemaligen Stadtmauer markiert. Wer der Linie folgt, landet im Bekleidungsgeschäft KULT, wo er außerdem überraschenderweise der originalen Stadtmauer begegnet, die im Zuge des Umbaus entdeckt, freigelegt und restauriert wurde. Auch der alte Wehrturm ist im Untergeschoss zu sehen.

Wehrturm Stadtmauer (c) STADTBEKANNT Zohmann

Wehrturm Stadtmauer (c) STADTBEKANNT Zohmann

Verschlossen

Wieder zurück in der Getreidegasse, lockt ein schwarz-goldener Schlüssel über der Nummer 28 in einen dunklen Gang. Mit ein paar Schritten lässt man den Alltagsstress hinter sich und reist ein Stück in die Vergangenheit. Ein schmiedeeisernes Tor gibt den Blick auf einen hellen Innenhof frei, in dem die Schlosserei Wieber bereits seit 1389 seine Kunden erwartet. Sogar ein altes Zunftzeichen ist hier noch zu sehen. Ob sich wohl – wie es bei alten Zunftzeichen üblich war – in den hohlen Röhren noch ein eingerolltes Papierstück befindet, auf dem das Datum der letzten Restaurierung vermerkt ist?

Schlosserei Wieber (c) STADTBEKANNT Zohmann

Schlosserei Wieber (c) STADTBEKANNT Zohmann

Gewebt und verflossen

Der nächste Tauchgang findet auf Höhe der Hausnummer 18A statt. Im „Niederleghof“, in welchem die Marktwaren der Händler zur Registrierung „niedergelegt“ wurden, findet sich ein weiterer traditionsreicher Handwerksbetrieb. Die  Handweberei Teppich-Manufaktur Rupert Weiss gibt es bereits seit 1843 – an speziell diesem Ort hat sie es sich in den 1950er Jahren gemütlich gemacht. Unter der Weberei verborgen fließt übrigens der Almkanal hindurch. Sichtbar ist das Wasser des Almkanals an mehreren Stellen der Salzburger Altstadt. Zum Beispiel kann der Getreidegassen-Passant einen Blick durch ein im Boden eingelassenes Gitter werfen, das den Blick auf das kühle Nass freigibt. Auch vom Restaurant Pan e Vin in der Gstättengasse 1 kann er beobachtet werden.

Gstättentor zum Almkanal (c) STADTBEKANNT Zohmann

Gstättentor zum Almkanal (c) STADTBEKANNT Zohmann

Als nächstes passieren wir eine der ältesten Apotheken Österreichs: „Zum Goldenen Biber“ verschlägt es Heilsuchende schon seit 1608. Der Name kommt von dem in der Vergangenheit viel verwendeten „Bibergeil“, einem Sekret aus den Drüsensäcken des possierlichen Nagetiers, dem eine große medizinische Heilwirkung gegen Gicht, Krämpfe und hysterische Anfälle zugesprochen wurde.

Knöpfe aus Naturmaterial im Knopferlmayer (c) STADTBEKANNT Zohmann

Knöpfe aus Naturmaterial im Knopferlmayer (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zugeknöpft

Zuletzt statten wir noch einem ganz besonderen Traditionsbetrieb einen Besuch ab: Im Jahre 1758 startete der Knopfmacher und Posamentierer Johann Mayer ein Knopferl-Business mit kleinem Holzladen auf der Staatsbrücke. Knapp 50 Jahre später zog der Laden ins Rathaus um. Und genau an dieser Stelle ist er heute noch: Der Knopferlmayer. Mehr als 3.000 verschiedene Knöpfe verstecken sich in den bis zur Decke gestapelten Schachteln und warten nur darauf, durchstöbert zu werden.

STADTBEKANNT meint

Zugegeben, die Touristenströme machen einen Spaziergang durch die Getreidegasse nicht gerade zu einem Genuss. Trotzdem ermöglicht das eine oder andere Durchhaus eine Flucht in die Vergangenheit. An historischen Geschichten mangelt es nicht: Der Spaziergänger stößt auf Teile der alten Stadtmauer, auf viele historische Handwerksbetriebe und den Almkanal.