Der Traum von einem Feentempel
Sie sollten nie das Licht der Welt erblicken: Vier Festspielhäuser – eifrig geplant aber nie erbaut – sind derzeit an verschiedenen, öffentlichen Orten der Stadt zu bewundern. Wir besuchen die „Festspielhaus-Geister“ und blicken hinter den nicht vorhandenen Bühnenvorhang.
Verknittert
Keine Angst, es handelt sich nicht um Umweltverschmutzung, sondern um Kunst: Nahe dem Wasserturm erspäht der achtsame Mönchsberg-Spaziergänger auf einer Wiese Pläne der Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer – und zwar Papierkorb-reif zerknüllt am Boden liegend. Die für ihre „Knitterskulpturen“ bekannte Künstlerin Esther Stocker spielt mit diesem dreiteiligen Kunstwerk auf eine Vision der Architekten an. Auf dem riesenhaften Papierknäuel lassen sich Texte und Baupläne entziffern: Fellner und Helmer wollten ein Mozart-Festspielhaus errichten, fernab des lästigen Straßenlärms, gen Festung ausgerichtet. 1890 waren die beiden Architekten mit ihrer Festspielhaus-Idee jedoch noch etwa 30 Jahre zu früh dran.
Vergoldet
Vom Mönchsberg zieht es uns nun auf den etwa 100 Meter niedriger liegenden Rosenhügel im Mirabellgarten. Das Werk Isa Rosenbergers ist nur schwerlich zu übersehen: Drei goldene Rahmen ragen imposante 7,5 Meter in die Höhe und stehlen der nackten Tänzerin die Schau. Es sind die Umrisse der Hinterbühnen-Portale eines nie realisierten Festspielhauses, vor 70 Jahren von Clemens Holzmeister geplant. Die Bühnenrückwand wäre verglast gewesen und hätte dem Publikum freie Sicht auf den Mirabellgarten gewährt. Und doch sind wir nicht traurig, dass das Projekt nie realisiert wurde. Das riesenhafte Gebäude von 120 Metern Länge und 140 Metern Breite hätte den kleinen Rosenhügel verschluckt unser Schloss Mirabell gehörig in den Schatten gestellt. Und auch die nackte Tänzerin freut sich sichtlich, dass sie der Star des Hügels bleiben darf.
Verkleinert
Festspielhaus-Geist Nummer 3 verbirgt sich im Wald des Kapuzinerbergs. Hitler hätte es gerne gesehen, wäre dieser Geist Realität geworden. Die Nationalsozialisten wollten Salzburgs Stadtberge übermächtig besetzen und planten am Kapuzinerberg neben einem Gauforum auch ein großes Festspielhaus. 120 Meter lang, 80 Meter breit und 50 Meter hoch – so hatte es sich Architekt Otto Reitter 1942 vorgestellt. 78 Jahre später kehrt der Künstler Werner Freisinger den Größenwahn des NS-Regimes allerdings ins Gegenteil: Anstelle eines übermächtigen Gebäudes, das das gesamte Stadtbild beherrscht, setzt er ein winziges, in Bronze gegossenes, weiß beschichtetes Häuschen auf eine riesige Platte.
Verteilt
Einem Gehege im Zoo Hellbrunn wird in jüngerer Zeit große Aufmerksamkeit zuteil: Seit 2 Monaten purzelt hier nicht nur das putzige Nashornbaby Tamika durchs Gehege. Es ist auch Teil des vierten und letzten Luftschlosses. Um das Kunstwerk zu sehen, muss man aber nicht ins Nashorngehege steigen. Es zeichnet die Umrisse des Festspielhauses mit Pflöcken nach und reicht in seinen unglaublichen Dimensionen bis weit in den Hellbrunner Schlosspark hinein. Wie eine Pyramide hätte das Bauwerk des Architekten Hans Poelzig aussehen sollen. Nun können Spaziergänger den 160 Meter langen und 110 Meter breiten Fußabdruck erkunden. Beschriftungen erklären, wo man sich bei der Erkundungstour gerade befindet. Zudem ist das Kunstwerk interaktiv, denn 210 „Takeaway“-Pflöcke können als Erinnerungsstücke von den Besuchern mitgenommen werden.
Alles auf einen Blick
Der Traum von einem Feentempel
Ausstellungsdauer: August – Dezember 2020
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