Salzburgs Brunnen erzählen

Auf einem feucht-fröhlichen Stadtspaziergang besuchen wir die etwas unbekannteren Brunnen Salzburgs und lauschen ihren Geschichten.

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Die einen sind riesenhaft und pompös, die anderen klein und unscheinbar. Beim einen ergießt sich das Wasser in starkem Strahl aus einer schaurigen Fratze, beim anderen pritschelt es verspielt aus einem zarten Vogelschnabel. Einige versorgen durstige Passanten mit frischem Trinkwasser, andere blicken auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Doch eines haben die 51 stadteigenen Brunnen gemeinsam: Fröhlich plätschern sie vor sich hin und erfreuen aufmerksame Spaziergänger immer wieder mit ihrem Anblick. Acht der Wasserspender erzählen uns heute ihre Geschichte.

Die Schöne und das Todesurteil

Der wasserspendende König des Mirabellgartens ist eindeutig der Pegasus. Es gibt wohl kaum eine Touristenkamera, die kein Bild des geflügelten Pferdes auf dem digitalen Schirm zeigt. Da wirkt die hübsche „Susanna im Bade“, der man ihre 400 Jahre gar nicht ansieht, am südlichen Ende der Kastanienallee etwas in den Schatten gestellt. Doch heute statten wir ihr einen Besuch ab. Argwöhnisch scheint sie beim Baden innezuhalten, den Schwamm noch am Bein, eine Brust mit einem Tuch verdeckend. Was hat sie gehört, was löst ihre Unruhe aus? Laut biblischer Geschichte wird Folgendes passieren: Im Dickicht pirschen sich zwei alte, angesehene Richter heran, um die Schöne zu bedrängen. Als sie sich wehrt, bezichtigen die Richter sie des Ehebruchs und verurteilen sie zu Tode. Aber glücklicherweise verhört der Prophet Daniel die beiden Zeugen getrennt voneinander und fragt, unter welchem Baum Susanna ihren Mann betrogen haben soll. Ein Richter nannte eine Zeder, der andere eine Eiche. So wurden die Betrüger entlarvt.

Susannabrunnen von Hans Waldburger im Mirabellgarten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Susannabrunnen von Hans Waldburger im Mirabellgarten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Das Pärchen und das Federvieh

Ebenfalls im Mirabellgarten, doch von so manch einem Passanten übersehen, versteckt sich Papagena in der Orangerie des Schlosses. Die kleine, mädchenhafte Bronze-Figur steckt in einem Federkleid und scheint sich in der Gegenwart vier kleiner Vögel sichtlich wohl zu fühlen, die das Wasser verspielt in unterschiedliche Richtungen verteilen. Altersmäßig ist die kleine Papagena ein Küken: Erst vor 34 Jahren erblickte sie dank des deutschen Künstlers und Vogelliebhabers Josef Magnus das Licht der Welt.

Papagenabrunnen von Josef Magnus im Mirabellgarten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Papagenabrunnen von Josef Magnus im Mirabellgarten (c) STADTBEKANNT Zohmann

Papagenas Gefährte – übrigens nur 24 Jahre älter als sie – ist in Salzburg auch in brunnenhafter Form vertreten: Würde eines von Papagenas Vögelchen seine Flügel ausbreiten, so müsste es gerade einmal einen Kilometer Luftlinie überwinden, um Papageno Gesellschaft zu leisten. Der steht trotz Fernbeziehung gut gelaunt am gleichnamigen Platz in der Altstadt. Seine Schöpferin ist die Pongauer Künstlerin Hilde Heger, die auch „Mama“ vieler anderer kunstvoller Gebilde ist. So verdanken ihr die süßen Entlein am Entenbrunnen im Schanzlpark ihr Leben und dürfen durstige Passanten mit Trinkwasser versorgen.

Entenbrunnen von Hilde Heger im Schanzlpark (c) STADTBEKANNT Zohmann

Entenbrunnen von Hilde Heger im Schanzlpark (c) STADTBEKANNT Zohmann

Der Löwe und das Wunderwasser

Nicht unweit vom Federvieh speit ein etwas gefährlicheres Tier das kühle Nass in ein Steinbecken. Vor der Pfarrkirche St. Erhard plätschert es munter aus dem Maul eines ernst dreinblickenden Löwen. Mähnengleich fächert sich hinter seinem Kopf eine Muschel auf. Was seine Augen wohl bereits gesehen haben? Schließlich gibt es den barocken Wandbrunnen schon seit 1689, als er noch den Dienstboten des Domkapitelspitals zu Diensten stand. Aber auch bei vielen anderen Menschen erfreute er sich damals großer Beliebt- und gar Berühmtheit. Denn man erzählte sich, das Wasser des ernsten Löwen habe heilende Kräfte. Auch wenn dieser Glaube nicht mehr besteht und der heute etwas unscheinbare Brunnen sich seinem Schicksal ergeben zu haben scheint – trinken darf man aus dem Maul des Raubtiers immer noch.

Erhardbrunnen bei der Kirche St. Erhard (c) STADTBEKANNT Zohmann

Erhardbrunnen von Andreas Götzinger und Wolf Grienauer vor der Stadtpfarrkirche St. Erhard (c) STADTBEKANNT Zohmann

Die Nymphe und ihr Wehklagen

Was der armen Susanna passiert ist, wissen wir bereits – aber auch einer anderen Brunnendame ist großes Unrecht widerfahren. Viele Salzburger passieren sie wohl mehrmals pro Woche: Das so genannte „Salzachweiberl“ steht in lässiger Pose am Franz-Josef-Kai auf Höhe des Ursulinenplatzes und wartet darauf, dass man sich am frischen Wasser aus ihrem Krug gütlich tut. Die Bezeichnung „Weiberl“ scheint nicht ganz treffend, handelt es sich doch eher um eine anmutige Quellennymphe, die da ungeniert halbnackt am Brunnen thront. Mit der Anmut war es kurzfristig aber vorbei, als ihr im stolzen Alter von 149 Jahren Schlimmes widerfuhr: Im August 2016 mussten Passanten erschrocken feststellen, dass die Figur mit großem Kraftaufwand bei einem Vandalismus-Akt vom Sockel gestoßen und beschädigt wurde. Nur die Füßchen blieben am Brunnenbecken zurück. Armes Salzachweiberl! Heute scheint der Schock überwunden und ihr Krug spendet Wasser wie eh und je.

Salzachweibchenbrunnen am Franz-Josef-Kai (c) STADTBEKANNT Zohmann

Salzachweibchenbrunnen am Franz-Josef-Kai (c) STADTBEKANNT Zohmann

Ein Held als Trendsetter

Nun geht es in die Altstadt. Star ist hier der etwas schräge Residenzbrunnen, der alle bewundernden Blicke auf sich zieht. Nur ein paar Schritte entfernt befindet sich aber ein nicht minder sehenswerter Kollege: Wer den Durchgang zum Innenhof der Alten Residenz durchschreitet, erblickt dort zuerst die Keramikornamente des Tiroler Künstlers Trenkwalder an der Wand. Die Farben Ockergelb, Blau und Weiß sind dabei ganz und gar nicht zufällig gewählt. Beeinflusst wurde die Farbgebung vom ebenfalls ockergelb gerahmten Herkulesbrunnen, der einen auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs erwartet. Der Farb-Trendsetter und griechische Held ist in einer düsteren Grottennische in einen erbitterten Kampf verwickelt und gerade im Begriff, dem sich windenden Wasserdrachen mit seiner Keule den Todeshieb zu versetzen. Sein Ziel: Die goldenen Äpfel der Hesperiden. Bereits seit 1614 verharren die beiden kraftvollen Protagonisten in dieser dramatischen Pose und symbolisieren einerseits die Herrlichkeit des Bauherrn und andererseits die Kraft der Natur und des Wassers.

Herkulesbrunnen in der Alten Residenz (c) STADTBEKANNT Zohmann

Herkulesbrunnen in der Alten Residenz (c) STADTBEKANNT Zohmann

Ein indisches Schwammerl mit Baumkrone

Den im wahrsten Sinne des Wortes krönenden Abschluss des Brunnenspaziergangs bildet ein moderneres Exemplar im Hof der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg in Nonntal. Auf den ersten Blick mutet es wie ein überdimensionales Schwammerl an, das da plätschernd aus dem Boden des kreisrunden Platzes sprießt. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass der Bildhauer Wander Bertoni etwas anderes im Sinn hatte: Mit dem Gebilde schuf er einen imposanten Lebensbaum, der seine Wurzeln in Indien hat, denn die Idee entstand auf einer Reise in den 70er Jahren. Der Künstler hielt seine Inspirationen und Aufzeichnungen im „Indischen Tagebuch“ fest. Der Baum spielt dabei eine wichtige Rolle und wurde von ihm in unterschiedlichsten Varianten interpretiert.

Lebensbaum in der Naturwissenschaftlichen Fakultät (c) STADTBEKANNT Zohmann

Brunnen von Wander Bertoni im Hof der Naturwissenschaftlichen Fakultät (c) STADTBEKANNT Zohmann

STADTBEKANNT meint

Den Salzburger Brunnen wird zu Unrecht oft wenig Beachtung geschenkt. Denn sie sind nicht nur wertvolle Kunstwerke, die teilweise schon auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken, sondern haben zudem auch Interessantes zu erzählen. Susanna berichtet von einem Verbrechen, das lange zurückliegt, einer Nymphe widerfuhr vor kurzem erst ein Unheil. Der Erhardlöwe speit heilendes Wasser, Papagena und Papageno müssen eine Fernbeziehung führen und Herkules ist wie immer in einen heroischen Kampf verwickelt.